Düsseldorf (ots) –
Am Mittwoch (29.05.) verfolgten erneut zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer die Gesprächsrunde „SICHERE STUNDE“ des Gewaltschutznetzwerks #sicherimDienst zum Thema Nachsorge bei Gewaltvorfällen. Wenn Beschäftigte im dienstlichen Kontext Übergriffe erleben, ist die Verunsicherung verständlicherweise groß: Wer sorgt für einen? An wen muss man sich wenden und wie kann das Erlebte langfristig verarbeitet werden? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigte sich das Netzwerk #sicherimDienst in der mittlerweile achten „SICHEREN STUNDE“. Moderatorin Ruth Flier, ehemalige Leiterin des Mitarbeitenden-Unterstützungsteams der Stadt Köln, begrüßte Expertinnen und Experten, Verantwortliche und Praktiker, um sich über Verantwortlichkeiten, Rechte und Pflichten auszutauschen.
Christian Glaß arbeitet als Notfallpsychotherapeut beim LWL-Institut für Prävention und seelische Gesundheit „PräNet“. In seinen Nachsorgegesprächen mit Betroffenen erlebt er häufig, wie unterschiedlich sich Belastungen bei den Betroffenen darstellen und langfristig beeinträchtigen können. „Es heißt nicht, dass ein Ereignis automatisch bei allen dieselbe Reaktion hervorruft. Menschen reagieren unterschiedlich“, erläuterte Glaß. Sein Eindruck ist, dass die meisten Betroffenen in der Lage sind, sich relativ rasch von Gewaltvorfällen zu erholen. Dennoch sollten Vorgesetzte stets aufmerksam sein und durch Gesprächsangebote ihre Unterstützung anbieten. Auch Kolleginnen und Kollegen, die Zeugen eines Vorfalls gewesen sind, sollten hierbei nicht außer Acht gelassen werden.
Als Koordinatorin des Schulpsychologischen Krisenteams der Stadt Köln beschrieb Kerstin Weidner, dass erlebte Gewaltvorfälle insbesondere im pädagogischen Kontext ein großes Schamgefühl mit sich bringen können. „Wichtig ist in diesem Fall, dass das Kollegium aufmerksam gegenüber Verhaltensänderungen und Beschwerden ist und Beobachtungen fürsorglich angesprochen werden“, so Weidner. Lehrkräfte sollten beim Zugang zu Angeboten und Hilfen unterstützt werden. Im schulischen Kontext stehen sowohl Ansprechpersonen der Schulpsychologie, Psychotherapie oder sonstigen spezialisierten Beratern (z.B. von der Unfallkasse NRW) zur Verfügung. Auch die schulischen Teams für Beratung, Gewaltprävention und Krisenintervention sollten zur Planung der nächsten Schritte einbezogen werden.
Volker Hülsdonk konnte seine Erfahrungen als leitender Landespolizeipfarrer in der evangelischen Polizeiseelsorge NRW einbringen. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die seelsorglich-beraterische und psychosoziale Unterstützung der Mitarbeitenden der Polizei NRW. Einsatzkräfte sind in der Regel gewohnt, mit ihren alltäglichen Belastungen umzugehen. Dennoch werden sie manchmal mit Ereignissen konfrontiert, die ihre normalen Bewältigungsstrategien überfordern. In seinen Gesprächen biete er den Betroffenen einen sicheren Raum, in dem sie ihre Erlebnisse und Gefühle aufarbeiten können, so Hülsdonk. Die Polizeiseelsorge arbeitet daher eigenständig und unabhängig von der innerbehördlichen Struktur.
Anke Deutschmann, vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement der Stadt Dortmund, machte die entscheidende Rolle der Vorgesetzten deutlich: „Führungskräfte müssen sich ihrer eigenen Verantwortung bewusst machen. Sie tragen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitenden. Ihr Vorbild und ihre Maßnahmen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz sind maßgeblich für die Haltung einer Organisation gegenüber allen Arten von digitalen, verbalen oder körperlichen Angriffen und Drohungen“, fasste Deutschmann zusammen.
Rainer Marenski, vom Opferschutzverein WEISSER RING, betonte, dass Beschäftigte, die im beruflichen Kontext Opfer beziehungsweise Zeugin oder Zeuge einer Straftat geworden sind, im Strafverfahren die volle Unterstützung durch die Vorgesetzten erhalten sollten. Marenski sieht auch hierbei den Arbeitgeber in der Pflicht: „Gelebter Opferschutz beginnt bei der Prüfung des Stellens einer Strafanzeige, geht über die Beratung, Unterstützung und Begleitung von Beschäftigten in Gerichtsverhandlungen hinaus bis zur Informationsweitergabe über den Stand der Ermittlungen und des Strafverfahrens“. Unterstützung können Arbeitgeber durch Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen erhalten, wie zum Beispiel beim WEISSEN RING.
Moderatorin Flier freute sich über die engagierte und hilfreiche Diskussion: „Es geht darum, den Beschäftigten nach Gewaltvorfällen bestmögliche Unterstützung anzubieten. Da gibt es bereits sehr viel. Heute wurde aber auch deutlich: Die Organisation hat eine Bringschuld, dass die Hilfe ankommt bei den Betroffenen.“
Die Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die Diskussion live mit und hatten die Möglichkeit, sich per Online-Chat mit Fragen an der Gesprächsrunde zu beteiligen. Wer die Live-Übertragung verpasst hat, findet in Kürze einen Mitschnitt der „SICHEREN STUNDE“ auf YouTube: https://www.youtube.com/@sicherimdienst. Die Veranstaltungsreihe „SICHERE STUNDE“ wird fortgesetzt. Folgetermine werden rechtzeitig auch auf der Internetseite www.sicherimdienst.nrw bekanntgegeben.
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